Vor Kurzem habe ich das Buch „Schwarze Magnolie“ von Hyeonseo Lee gelesen. In dem autobiografischen Werk erzählt die Autorin von ihrer Kindheit in Nordkorea, ihre fast schon unabsichtliche Flucht nach China und ihr dortiges Leben in Unsicherheit und ständig wechselnden Identitäten. All die Jahre plagt sie die Ungewissheit über den Verbleib ihrer Familie, die sie in Nordkorea zurückgelassen hat und die Sehnsucht nach dieser. Nachdem es ihr selbst gelungen ist, nach Südkorea zu fliehen, reist sie zurück in die nordkoreanisch-chinesische Grenzregion und versucht ihre Familie später mit einem abenteuerlichen Plan und unter hohem Risiko nachzuholen.
Hyeonseo Lee schilderte ihre Geschichte erstmals im Jahr 2013 im Rahmen eines TED Talks der Öffentlichkeit – diesen bezeichnete die US-Talkmasterin Oprah Winfrey als den „fesselten TED-Talk aller Zeiten“. Im Jahr 2015 wurde die Geschichte Hyeonseo Lee im Orginal unter dem Titel „The Girl with Seven Names“ veröffentlicht. Hyeonseo Lee ist seitdem auf einer Vielzahl von Veranstaltungen aufgetreten (u.a. auf der Osloer Friedenkonferenz) und setzt sich dabei für eine Verbesserung der Menschenrechtslage in Nordkorea sowie eine stärkere Aufmerksamkeit für das Thema Nordkorea ein. Sie ist so zu einem Sprachrohr für die Menschen in Nordkorea geworden, deren Schicksal von der Weltöffentlichkeit oft ignoriert wird.
Die von Hyeonseo Lee in ihrem Buch Schwarze Magnolie erzählte Lebensgeschichte unterscheidet sich von denen anderer nordkoreanischer Flüchtlinge – sie ist erschreckend, spannend und inspirierend zugleich – aus verschiedenen Gründen. Daher möchte ich dieses Buch im folgenden Beitrag vorstellen.
Handlung des Buchs Schwarze Magnolie („The Girl with Seven Names“)
Das Buch Schwarze Magnolie beschreibt autobiographisch das Leben von Hyeonseo Lee – ihre Kindheit in Nordkorea, die Flucht und das Leben in China sowie, nachdem es ihr gelungen ist, nach Südkorea zu gelangen, den Plan ihre Familie aus Nordkorea nachzuholen.
Im ersten Teil des Buches erzählt Hyeonseo von ihrer Kindheit und Jugend in Nordkorea. Hyeonseo wächst aufgrund der Verdienste ihres Großvaters in einer privilegierten nordkoreanischen Familie in der Stadt Hyesan auf. Ihrer Familie geht es im Vergleich zu anderen besser. Ihr Vater, der eigentlich ihr Stiefvater ist, arbeitet beim Militär und ihrer Mutter in der kommunalen Verwaltung. Die Stadt Hyesan ist nur einen Steinwurf von China entfernt, einzig getrennt durch den Fluss „Yalu“, der an manchen Stellen nur wenige Meter breit ist. In Hyesan blüht daher der Schwarzmarkt zwischen beiden Ländern, was der dortigen Bevölkerung Nebenverdienste ermöglicht und wodurch sich auch Waren und Medien ins Land schmuggeln lassen, die von der nordkoreanischen Regierung eigentlich verboten sind. Somit kommt Hyeonseo schon in ihrer Jugend in Kontakt mit südkoreanischer Popmusik und kann das chinesische Fernsehprogramm empfangen. Sie erhält so eine erste Vorstellung von der Welt außerhalb Nordkoreas.
Obwohl sie schon mit sieben Jahren ihre erste öffentliche Hinrichtung sieht und der Schulalltag sowie freizeitlich Aktivitäten vom Führerkult um Präsident Kim Il Sung geprägt sind, ist Hyeonseo Lee während ihrer Kindheit und Jugend aufgrund der staatlich Propaganda davon überzeigt, in einem völlig normalen Land zu leben – für sie zum damaligen Zeitpunkt das beste Land der Welt. Zwar zweifelt sie selbst während der Hungersnot in den 1990er Jahren, von der sie aufgrund des Status ihrer Familie nicht direkt betroffen ist, nie wirklich an ihrem Land oder dem Führer Kim Il Sung, trotzdem bedeuten ihr der Personenkult und die ganze Ideologie nicht viel. Sie weiß nur, dass sie sich bestimmte Regeln befolgen sollte, um nicht in Schwierigkeiten zu kommen. Ihre Kindheit erscheint daher auch an manchen Stellen sehr gewöhnlich. Themen wie Freundschaften, die schwierigen Beziehung zu ihrem Stiefvater und Hobbies nehmen einen wichtigen Teil der des Buches Schwarze Magnolie ein und machen Hyeonseo nahbar und sympathisch.
Die Flucht und das Leben in China
Bereits aus den Kindheitsgeschichten wird deutlich, dass Hyeonseo ein sehr mutiges und neugieriges, stellenweise aber auch naives Mädchen ist. Eigenschaften, die sie später einmal dazu bringen sollen, Nordkorea zu verlassen. Mit der Zeit steigt ihre Neugier nach dem Leben in China. Da ein Grenzübertritt nach dem 18. Geburtstag schwere Strafen nach sich ziehen würde, möchte Hyeonseo unbedingt noch vor ihrem 18. Geburtstag einige Tage in China verbringen, um dort Verwandte zu besuchen und das Land kennenzulernen. Den Weg nach China sieht sich als kein großes Risiko an – schließlich befindet sich die nächste chineische Grenzstadt von ihrem Haus aus in Sichtweite.
Mit einem undurchdachten Plan überquert Hyeonseo im Dezember 1997, einen Monat vor ihrem 18. Geburstag, den Fluss Yale und ist so zum ersten Mal in ihrem Leben in China. Ein Bekannter von der chinesischen Seite des Flusses, den Hyeonseo aufgrund der eigentlich verbotenen Handelsaktivitäten ihrer Mutter kennt, hilft ihr dabei, in die Stadt Shenyang zu gelangen, in der ihr Onkel und ihre Tante leben. Bis zu diesem Zeitpunk ist Hyeonseo davon überzeugt, nur für wenige Tage in China zu bleiben und dann wieder zu ihrer Familie nach Hyesan zurückzukehren zu können.
Hyeonseo genießt zunächst die neuen Eindrücke und Erfahrungen in China und aus wenigen Tagen sollte so schnell ein ganzer Monat werden. Doch kurz nach ihrem 18. Geburtstag erreicht sie ein Anruf von ihrer Mutter aus Nordkorea, in der diese ihrer Tochert mitteilt, dass die Behörden sie suchen und der Familie Ärger droht, falls sie zurückkommt.
Auf die Nachricht reagiert Hyeonseo sogar etwas erleichtert, schließlich gefällt ihr das Leben in Shenyang zunächt. Mit der Zeit fühlt sie sich in Shenyang aber immer mehr eingeengt, da sie ihre Familie vermisst und auch, weil sie ihre wahre Identität nicht preisgeben und somit auch nicht am alltäglichen Leben teilnehmen kann.
Monate vergehen, in denen Hyeonseo Lee besonders damit beschäftigt ist, ihr Mandarin zu verbessern. Auch ihr Onkel und ihre Tante machen sich mit der Zeit immer mehr Sorgen, wie es mit Hyeonseo weitergehen soll. Sie stellen ihr daher den Sohn einer Bekannten vor, mit dem sich über einen längeren Zeitraum regelmäßig trifft und später auch heiraten soll. Sie mag den Jungen, kann sich aber keine gemeinsame Zukunft mit ihm vorstellen und verlässt, obwohl die Hochzeit schon geplant ist, die Wohnung der ihrer Verwandten, ohne jemanden Bescheid zu geben.
In den kommenden Jahren schlägt Hyeonseo sich mit einem Gastronomiejob in Shenyang durch, immer in der Angst, dass ihre nordkoreanische Herkunft auffliegt und sie nach Nordkorea abgeschoben wird. In der ganzen Zeit vermisst sie ihre Familie in Nordkorea, mit der sie nun schon seit mehreren Jahren keinen Kontakt mehr hat. In ihr kommen immer mehr Zweifel auf und die Sehnsucht nach ihrer Familie ist ungebrochen. Der Versuch, ihre Mutter und ihren Bruder über Schmuggler nach China zu bringen scheitert, und endet für Hyeonseo in einer Gefangeschaft bei einer Gang. Im Laufe der Jahre vertraut sie einigen Leuten in Shenyang an, dass sie eigentlich aus Nordkorea stammt. Dies sollte auch die chinesische Polizei mitbekommen, von der sie an einem Morgen überraschend festgenommen und befragt wird. Da sie mittlerweile fließend Mandarin spricht, schafft sie es, die Polizei davon zu überzeugend, dass sie Chinesin ist. Dennoch stellt sie nach dieser Erfahrung fest, dass die Gefahr in Shenyang aufzufliegen zu groß ist, da zu viele Personen bereits über ihre wahre Herkunft Bescheid wissen. Anschließend zieht sie gemeinsam mit einer Freundin nach Shanghai, um dort unter einem neuen Namen ein neues Leben zu beginnen.
Nach Südkorea
Der Familie aus Hyesan gelingt es mit der Zeit, durch ein geschmuggeltes Handy Kontakt mit Hyeonseo aufzunehmen. Durch einen gekauften chinesischen Personalausweis erhält Hyeonseo wieder eine neue Identität in Shanghai. Dieser ermöglicht ihr die Aufnahme von besser bezahlten Jobs und karrieretechnisch geht es bergauf.
Auch im Privaten verändert sich einiges, sie lernt Park kennen, einen südkoreanischen Geschäftsmann, in den sie sich verliebt und mit dem sie zusammenzieht. Selbst diesem gibt sie allerdings über Jahre hinweg nicht ihre wahre Identität preis. Nachdem sie doch Vertrauen gefasst hat, erzählt sie ihrem Freund die Wahrheit und äußert auch den Wunsch, sich in Südkorea niederzulassen. Obwohl sie seit mittlerweile fast zehn Jahren in China lebt, fühlt sie sich dort nicht zugehörig und hofft darauf, sich in Südkorea eher zuhause fühlen zu können.
Schließlich schafft es Hyeonseo bis nach Seoul. Der letzte Teil des Buches Schwarze Magnolie behandelt Hyeonseo´s Wunsch und Plan, ihre Mutter aus Nordkorea nachzuholen. Dieser soll in einer nervenaufreibenden Flucht enden.
Fazit zu dem Buch„Schwarze Magnolie“
Das Buch Schwarze Magnolie von Hyeonseo Lee ist jedem zu empfehlen, der Interesse am Thema Nordkorea hat. Die persönliche Geschichte von Hyeonseo ist an vielen Stellen sehr traurig, aber sie macht auch Mut und ist inspirierend. Die Neugierde und der Mut der Autorin, die sich wie ein roter Faden durch das Buch ziehen, sind bewundernswert und machen sie sympathisch.
Die Geschichte von Hyeonseo Lee gibt einen Einblick in den Alltag in Nordkorea, jenseits von Kommunismus, Führerkult und Straflager. Hyeonseo Lee zeigt durch Einblicke in ihre Kindheit und Jugend, warum sie trotz Bildern von toten Körpern und der ständigen Angst vor Gesetzesbrüchen, ihr Heimat heute noch immer vermisst.
Die Autorin schafft es insbesondere ab dem zweiten Teil des Buches (das Leben in China), die Spannung konstant aufrechtzuerhalten. Viele Kapitel enden mit einem „Cliffhanger“, wie man ihn aus TV-Serien kennt. Schwarze Magnolie ist somit ein Buch, das man nur schwer zur Seite legen kann. Ich habe das Buch in wenigen Tagen fertig gelesen. Das Buch wirkt nach und man wird sicher auch noch nach dem Lesen über die Geschichte von Hyeonseo Lee nachdenken müssen.
Hyeonseo Lee lebt heute in Seoul und setzt sich aktiv für eine Verbesserung der Menschenrechtslage in Nordkorea ein. Durch ihre Geschichte und ihr Buch versucht sie, mehr Aufmerksamkeit für das Menschenrechtsthematik in Nordkorea zu erzeugen. Neben zahlreichen Interviews sowie Auftritten auf öffentlichen Veranstaltungen, in denen sie aus ihrem Leben erzählt, schreibt sie gerade auch an einem zweiten Buch, in welchem es, vor dem Hintergrund von Menschenhandel und sexueller Ausbeutung, um die Lage der nordkoreanischen Frauen in China gehen soll. Außerdem plant sie die Gründung einer eigenen NGO.
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